Zwei Jahre bis es wahr wurde

Seit zwei Jahren gehen wir unserer Umgebung mit dem Traum auf die Nerven, für ein viertel Jahr auf große Reise zu gehen. Zunächst war es eine wilde Idee, dann klopften wir die Möglichkeiten ab, ob eine so lange Reise überhaupt umsetzbar und finanzierbar wäre. Es begann die Überlegung, wohin es eigentlich gehen sollte, und schnell waren wir uns einig, nicht nach Osten. Ja, warum eigentlich nicht? Klar, da gibt es viele Vorurteile. Und kaum hatten wir uns das eingestanden, begannen wir zu recherchieren, was es gen Osten alles zu sehen gäbe. Wir beschlossen, die Vorurteile erst einmal hinten anzustellen und begannen zu planen.

Eines der größten Probleme ist dabei meine Wespengift-Allergie, die es erfordert, alle 6 Wochen eine Wespengiftspritze zu bekommen. Bisher waren wir nie länger als 6 Wochen unterwegs, so dass die Allergie kein Hindernis darstellte. Doch wie wäre es möglich, eine längere Reise zu realisieren? Ich sprach mit meinem Allergologen und langsam kristallisierte sich heraus, dass wir das Medikament mitnehmen und Saskia mich unterwegs spritzen könnte. Allerdings muss das Wespengift zwischen 2° und 8° C gelagert werden, was eine echte Herausforderung darstellte. Also schafften wir eine neue Kühlbox an, überarbeiteten die Stromversorgung im Auto und überlegten, wie eine Solaranlage in unser Gefährt integrierbar wäre.

Nachdem wir 2018 aus Island zurück waren, zeigten unsere Reifen schon arge Abnutzungsspuren. Es waren neue fällig. Und weil der freundliche Vorbesitzer so große Schlappen aufgezogen hat, dass sie in den Radkästen schleiften und da mit kein TÜV zu bekommen war, gönnten wir uns etwas kleinere. Und weil uns 4 Stück etwas mager vorkamen, wurde noch das lumpige Ersatzrad durch ein vollwertiges mit gleicher Bereifung ersetzt.



Auch stand die Überlegung im Raum, wie wir durch Matsch oder Schnee auf unserer Tour durch kämen. So legten wir uns ein Paar Schneeketten zu, die gefühlt das Fahrzeuggewicht verdoppeln. Erste Versuche in Österreich diesen Winter verliefen vielversprechend.


          

 

Der Winter wurde für erweiterte Bastelarbeiten genutzt. Links seht Ihr einen Testaufbau der Solaranlage auf dem Balkon, der die Kühlbox und die Versorgerbatterie im Wohnzimmer speist. Die alten Matratzen wurden durch neuere und etwas flachere ersetzt, um nicht nur den Komfort sondern auch Innenraum zu verbessern.


 

Die Solaranlage ist ein semiflexibles Modul, welches nur in eine Richtung gebogen werden kann. Um es auf die Dachbox zu montieren, mußte ich also Füßchen bauen, die nur eine Biegerichtung gewährleisten. Ebenso sollte die Solaranlage super stabil sitzen, von unten belüftet werden und die Bohrlöcher wieder Wasserdicht verschlossen werden.

 

 

Zwar sind 80 Watt nicht die Welt, aber klein genug, um überhaupt auf der Dachbox montiert werden zu können.


 

Auf einem kleinen Ausflug in die Berge streikte das Zündschloss und ließ sich nicht mehr drehen. Mit viel Feingefühl und Zeit kamen wir wieder nach hause. Dort baute ich es aus und fand in Stuttgart einen Schlüsseldienst, der die Schließstifte für 25,- Euro "equalisierte", also wieder auf gleiche Höhe setzt und uns damit über 500,- Euro für eine neue Schließanlage ersparte. Gleichzeitig konnte ich die Lenksäulenverstellung reparieren, weil in den letzten Jahren uns im Gelände öfters das Lenkrad nach unten abgerauscht ist. Richtig häßlich wurde dann das Frühjahr 2019, als die weiteren Reparaturen am Auto sich sehr schwierig gebärdeten. In zwei Werkstattterminen tauschten Tobi und ich defekte Kühlwasserschläuche aus, demontierten die Feststellbremse, die immer noch nicht funktionierte und scheiterten an deren Reparatur. Auch das Leck in der Klimaanlage fanden wir nicht. Also kam der Landy dann doch in eine Werkstatt, wo Feststellbremse und Klimakondensator getauscht wurden. 3000,- Euro später scheint alles wieder zu funktionieren. Wenn das Auto sich wieder so gebärdet, wie die letzten Jahre, geht er nur zuhause kaputt.

 

Die Höhenverstellung des Fahrersitzes folgte immer wieder willig der Schwerkraft, was mit einem Holzklotz unter dem Verstellhebel beseitigt werden konnte.

 

Natürlich darf nicht nur an der Fahrzeugtechnik gearbeitet werden, auch die Fototechnik brauchte ein Upgrade. Mein Stativ wurde so lange modifiziert, bis ich die Kamera in der Objektivmitte rotieren konnte...


 

...um da mit nahtlose 360° Panoramen aufzunehmen.


 

In unserer Umgebung gab es viele Freunde, die tatkräftig bei der Reisevorbereitung halfen. Erst kürzlich kam Saskia mit einem fetten, roten Schleppgurt heim, den sie von einem Rettungsdienstkollegen geschenkt bekommen hatte. Jetzt sind wir mit 2x9m ganz gut ausgerüstet.


 

Im April begannen wir, das Auto umzubauen, Sitze raus, Schränke rein, alles testen und letzte Veränderungen durchführen. Schließlich muß alles 3 Monate durchhalten und auf der Reise auch einen gewissen Komfort bieten.


 

Zwei Jahre und viele Versionen hat diese Reiseplanung hinter sich. Zwar ist uns auch bewußt, dass diese Planung nicht mehr als eine Wunschliste darstellt, weil auf einer Strecken von ca. 25.000 km gibt es viele Eventualitäten, die wir nicht vorher sehen können.


 

Ebenso ist die Fahrstrecke detailliert geplant mit möglichst viel Informationen über Straßenqualität, Tankstellen, Wasserstellen, Läden, Werkstätten, Grenzposten, Konsulaten, Unterkünften und Übernachtungsplätzen in der freien Wildbahn. 1143 Wegpunkte enthält die Planung und kann direkt auf unsere GPS-Geräte übertragen werden, so dass wir alle wichtigen Infos immer dabei haben.


 

Im letzten Islandurlaub machte unsere Markise Bekanntschaft mit stürmischen Windböen. Leider neigten sich die meisten Schraubverbindungen leeseitig. Also mußte dort für mehr Stabilität gesorgt werden. An einem regnerischen Herbsttag fertigte ich also eine Zeichnung für die nötigen Verbesserungen an, die recht eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass ich im Fotografenhandwerk besser aufgehoben bin.


 

Die Schrauben wurden verlängert und verstärkt,


 

...die Steckverbindungen für die Querstreben mit Holz stabilisiert,


 

... und die Klettbänder komplett ausgetauscht, so dass sie auch einen kräftigeren Wind standhalten können.


 

Die Reiseapotheke ist Saskias Ressort. Auf des Niveau einer Intensivstation kommen wir noch nicht, aber kleinere Probleme können wir da mit lösen.


 

Zwei Wochen vor der Abreise begann das Häufchenspiel in unserer Wohnung, es wurde immer chaotischer im Wohnzimmer.


 

Auch die Dachbox musste probe gepackt werden.


 

Für 2 Wochen Kleidung muß reichen, dann ist dringender Waschbedarf angesagt.


 

Dann eine Woche vor der Abfahrt kam alles auf das Dach, was nicht in das Auto passt. Ersatzkanister, Sandbleche, Markise, Dachbox mit Kletterausrüstung, Tisch und Stühlen, Ersatzteile, Steigeisen und Wathose.


 

Die Solaranlage wurde angeschlossen und durfte schon mal eine Woche auf Probe den Kühlschrank mit Strom versorgen, was prima funktionierte.


 

Erst ganz zum Schluss kam das Päckchen mit dem Wepsengift für meine Impfung in den Kühlschrank. Eingepackt ist es in Kissen mit Kühlgel und begleitet mit einem Temperatursensor, der via Funk die Temperatur an ein Gerät meldet, welches erbärmlich piept, wenn die Temperatur über 8° C steigt.


 

Der Bitte, den Reisebericht Handy-tauglich, also im Hochformat zu gestalten, werde ich nicht nachkommen, weil sich die meisten Landschaften eben im Querformat vor unseren Augen - die auch nebeneinander angeordnet sind - erstrecken. Um dieses Problem zu lösen, habe ich eine grandiose Lösung erarbeitet: Wer den Reisebericht auf dem Smartphone betrachten möchte, kann sein Handy um 90° drehen.

Bitte verzeiht mir, dass ich auch auf das so häufig geforderte Stilmittel des "Selfies" (debil in die eigene Kamera grinsen am ausgestreckten Arm) weitestgehend verzichte, auch wenn dann in zweifel gezogen wird, dass wir tatsächlich vor Ort waren. Ihr dürft uns glauben, dass wir die hier gezeigten Aufnahmen nicht aus dem Netz runtergeladen haben. Auch fotografiere ich seit Jahren lieber "Otheries", also Bilder von anderen Menschen, und vermeide dabei tunlichst, eigene Körperteile auf das Bild zu bekommen.

Sobald wir Europa verlassen, werden wir telefonisch nicht mehr erreichbar sein. Auch Internetempfang ist nur sporadisch möglich. Natürlich freuen wir uns riesig über Emails, aber macht Euch keine Sorgen, wenn es einige Tage dauert, bis eine Antwort kommt.

Ein riesiges Dankeschön geht an alle, die uns bei der Reisevorbereitung so toll unterstützt haben, ohne Euch wäre das alles niemals möglich geworden. Genug geredet.

Am Donnerstag, den 30. Mai 2019 geht's los.

Wir wünschen Euch viel Spaß beim lesen.

Saskia und Jörg


 


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